NRW: Neuregelung der Frauenförderung ist verfassungswidrig

Nach einem Urteil des OVG Münster sind Beförderungsentscheidungen, die auf den seit 1. Juli 2016 neu geltenden § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW beruhen, verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen das grundgesetzlich verankerte Prinzip der Bestenauslese. Die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen, deren Vita oft durch familienbedingte Auszeiten gekennzeichnet ist, kann dadurch gefördert werden, dass Beurteilungen weniger stark an die erbrachten dienstlichen Leistungen und im Beruf gewonnenen Erfahrungen anknüpfen.

Neue Frauenförderung

Mit dem Dienstrechtsmodernisierungsgesetz vom 14. Juni 2016 ist das Landesbeamtengesetz NRW neu gefasst worden. Der seit 1. Juli 2016 geltende § 19 LBG NRW regelt die Beförderung für Beamtinnen und Beamte. Absatz 6 Satz 2 und 3 lauten wie folgt:

Satz 2: Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.

Satz 3: Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist.

Verfahrensverlauf

Verschiedene Dienstherren haben daraufhin Beförderungsentscheidungen auf diese Bestimmung gestützt und nur Frauen bei den zu besetzenden Beförderungsstellen berücksichtigt. Die unterlegenen Männer wollten das nicht hinnehmen und begehrten mittels einer einstweiligen Anordnung, dass die Beförderungen der Frauen vorläufig untersagt werden.

Die bei den Verwaltungsgerichten Düsseldorf, Aachen und Arnsberg gestellten Anträge hatten Erfolg. Die Gerichte gingen von rechtswidrigen Beförderungsentscheidungen aus und verpflichteten die Dienstherren zu einer erneuten Entscheidung. Die daraufhin eingelegten Beschwerden hatten vor dem OVG Münster ebenfalls keinen Erfolg.

Aspekt der Frauenförderung verstößt gegen Bestenauslese

Zur Begründung hat der entscheidende Senat ausgeführt, dass zwar gegen den Satz 2 keinen rechtlichen Bedenken bestehen. Satz 3 sei jedoch verfassungswidrig, da ein so reduzierter Qualifikationsvergleich gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese verstoße.

Auswahlentscheidungen dürfen nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Einigung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Der Aspekt der Frauenförderung gehört nicht dazu.

Vereinbarkeit von Bestenauslese und Frauenförderung möglich

Das OVG Münster zeigt jedoch einen Weg, wie unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese die Frauenförderung verwirklicht werden kann: Der Qualifikationsvorsprung vieler Männer sei oftmals das Ergebnis einer unterbrechungslosen Berufsvita. Dieser Unterschied könne relativiert oder kompensiert werden, wenn Befähigungs- und Eignungsmerkmale (z.B. Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung, Persönlichkeit, Charaktereigenschaften) bei der Abfassung von dienstlichen Beurteilungen und damit bei der Bildung des Gesamturteils stärker gewichtet würden.

Hierdurch kann erreicht werden, dass besonders die Frauen bevorzugt werden, die tatsächlich Doppelbelastungen in Beruf und Familie ausgesetzt seien. Eine nur an das Geschlecht als solches anknüpfende Frauenförderung vernachlässige den Aspekt ohne rechtlichen Grund.

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster vom 21. Februar 2017