Neuer Anlauf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz .. mit oder ohne Landesbeamte

In Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie (EU-Richtlinie 2019/19) sollen Hinweisgeber auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Missstände aufmerksam machen können. Deutschland ist durch die EU-Richtlinie 2019/1937 zur nationalen Regelung des Hinweisgeberschutzes verpflichtet. Aufgrund der verzögerten Umsetzung unterliegt Deutschland bereits einem Vertragsverletzungsverfahren.

Nachdem das ursprünglich von der Bundesregierung eingebrachte Hinweisgeberschutzgesetz am 10. Februar 2023 im Bundesrat gescheitert ist, unternehmen die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP einen zweiten Anlauf. Sie haben das Vorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten, von denen nach ihrer Auffassung nur einer davon im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Diese Entwürfe werden nun aktuell im Bundestag beraten.

Der jetzt neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (20/5992) ist weitgehend identisch ursprünglichen Entwurf, der vom Bundesrat abgelehnt wurde. Um die Zustimmungspflichtigkeit aus dem Gesetzgebungsverfahren zu nehmen, nimmt der neue Entwurf ausdrücklich Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus seinem Anwendungsbereich aus. Dadurch ist nach Einschätzung der einbringenden Fraktionen keine Zustimmung des Bundesrates mehr erforderlich, so dass dieses Gesetzesvorhaben auch ohne Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten könnte.

Kern des Gesetzentwurfes ist unverändert die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können. Diese sollen auch anonyme Meldungen bearbeiten und dazu eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen ermöglichen. Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Hinweisgeber, die Repressalien erleiden, sollen eine Entschädigung in Geld auch dann verlangen können, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt.

In einem zweiten Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (20/5991) wird diese Einschränkung durch folgende Änderungen wieder aufgehoben:

Streichung des Absatzes 3 von § 1 aus der Entwurfsfassung 20/5992

     (3) Dieses Gesetz ist nicht anwendbar auf die Meldung oder Offenlegung durch Beamtinnen und Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie durch Richterinnen und Richter im Landesdienst.

Streichung der Wörter „des Bundes“ in § 2 Abs. 2 Ziffer 10 aus der Entwurfsfassung 20/5992

     (1) Dieses Gesetz gilt für die Meldung (§ 3 Absatz 4) und die Offenlegung (§ 3 Absatz 5) von Informationen über …

   10. Äußerungen von Beamtinnen und Beamten des Bundes, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.

Sollte der Bundesrat dieses zustimmungspflichtige Gesetzesvorhaben zur „Rückänderung“ allerdings zurückweisen, entstünde die bizarre Situation, dass in Ländern und Kommunen Beamte und Beamtinnen vom Hinweisgeberschutzgesetz ausgeschlossen wären, nicht aber ihre tariflichen Kollegen und Kolleginnen. Oder dass im jeweiligen Bundesland zwar Bundesbeamte melden könnten, nicht aber Landesbeamte.

Und: Eine Ausklammerung von Landesbeamten und -beamtinnen vom Anwendungsbereich würde bedeuten, dass Deutschland die EU-Richtlinie weiterhin nicht vollständig umgesetzt hat. Möglicherweise läuft dann das von der EU-Kommission angestrengte Verletzungsverfahren weiter; im Falle einer Verurteilung würde eine saftige Geldstrafe auf Deutschland zukommen.

Man darf gespannt sein, wie sich diese Gesetzgebungsposse weiterentwickelt.