(Keine) Behinderung einer Personalratswahl zu Coronazeiten

(VG Köln, Beschluss v. 6.10.2020 – 33 K 1757/20.PVB – (nicht rechtskräftig)

In Zeiten der Corona-Pandemie werden nicht nur die Arbeitsabläufe in den öffentlichen Verwaltungen nachhaltig beeinflusst, sondern auch die in den Jahren 2020 und 2021 stattfindenden Personalratswahlen.

Im Jahre 2020 fanden beim Bund in einigen Bundesländern Personalratswahlen statt. Lediglich Niedersachsen ist es gelungen wenige Tage vor dem ersten Lockdown die Wahlen durchzuführen. Insbesondere in den Verwaltungen des Bundes erfolgten die Personalratswahlen unter den Bedingungen der Corona-Pandemie. Einige Gesetzgeber haben die Amtszeiten der Personalräte verlängert und somit die Wahlen auf 2021 verschoben. Aber wird es dadurch besser? Ferner wurden in weiser Voraussicht Wahlordnungen, auch für die regulär in 2021 stattfindenden Personalratswahlen, modifiziert und die generelle Möglichkeit einer Briefwahl zugelassen. Besondere Beachtung sollte in diesem Zusammenhang auch der Beschluss des Verwaltungsgerichtes Köln vom Oktober 2020 finden in dem die Anfechtung einer Personalratswahl einer Bundesverwaltung wegen Behinderung verhandelt wurde.

Zum Sachverhalt

Mit Wahlausschreiben bestimmte der Wahlvorstand Donnerstag, den 19. März 2020, als Tag der Stimmabgabe. Für alle Wahlberechtigten, die nicht in der Zentrale der Verwaltung ihren Dienstort haben, ordnete der Wahlvorstand Briefwahl an.

Weiter wies der Wahlvorstand erneut mit E-Mail vom 18. Februar 2020 auf die bevorstehende Wahl sowie auf die Möglichkeit einer Briefwahl hin. Am 2. März 2020 versandte der Wahlvorstand Briefwahlunterlagen an die etwa 470 Wahlberechtigten.

Durch E-Mails an die Beschäftigten - am Montag, 16. März 2020 sowie am Mittwoch, 18. März 2020 - wies der Wahlvorstand vor dem Hintergrund des zunehmenden Corona-Infektionsgeschehens erneut auf die Möglichkeit der Briefwahl hin. Ergänzend führte er aus, Briefwahlunterlagen könnten sogar persönlich beim Wahlvorstand abgeholt und dort unmittelbar wieder abgegeben werden. In beiden E-Mails informierte der Wahlvorstand der Zentrale ferner darüber, dass auch eine persönliche Stimmabgabe am Tag der Wahl – unter Einhaltung der Hygienevorschriften – möglich sei.

Seitens der Dienststelle wurden für die Beschäftigten folgende Anordnungen getroffen:

  • In der Woche der Wahl wurde in der IT-Sparte der Dienststelle für alle Mitarbeiter Telearbeit angeordnet.
  • Beschäftigte aus anderen Bereichen, die über ein dienstliches Notebook verfügten, konnten ebenfalls von zu Hause aus arbeiten.
  • Zusätzlich wurde für einen ausgewählten Kreis von Beschäftigten für einen Zeitraum von mehreren Tagen, in den auch der Tag der Stimmabgabe fiel, der Zutritt zur Dienststelle untersagt. Sie hatten Kontakt mit einer Beschäftigten, die infolge eines Urlaubs in einem Corona-Risikogebiet als Risikofall eingestuft worden war.

Weiterhin hatten:

  • bereits am 17. März 2020 die örtlichen Wahlvorstände bei zwei von neun Direktionen die Stimmabgaben abgesagt.
  • der Hauptwahlvorstand die Wahl für den Hauptpersonalrat abgesagt, da ihm eine rechtsichere Wahl nicht möglich erschien.

Für die Wahl des Personalrats der Zentrale fand die Stimmabgabe am 19. März 2020 wie im Wahlausschreiben vorgesehen statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am selben Tag bekannt.

Die Wahlbeteiligung lag

  • bei Beamten bei 61 % (2016: 76,5 % bzw. 2012: 78 %) und
  • bei Arbeitnehmer bei 45 % (2016: 64 % bzw. 2012: 66 %).

Die Wahl wurde fristgerecht angefochten.

Verkürzte Begründung des Beschusses

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren nicht ersichtlich ist.

Ein Verstoß gegen die – zwingenden – Regelungen über die Freiheit der Wahl liegt nicht vor. Nicht jegliche Erschwerung führt zu einer erfolgreichen Anfechtung einer Wahl. Dies ergibt sich schon aus dem vom Gesetz verwandten Begriff der „Behinderung“, der ein Mindestmaß an Schwere verlangt. Da zudem eine Vielzahl von Umständen denkbar sind, die mittelbar zu Erschwerungen führen können, würde der Tatbestand der Wahlbehinderung nicht mehr handhabbar, wenn von ihm jegliche auf die Wahl erschwerend einwirkende Maßnahme erfasst würde. Eine Maßnahme außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens, die bloß mittelbar erschwerende Auswirkungen hat, ist daher nur dann eine Behinderung, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls und bei objektiver Betrachtung auf eine Erschwerung der Wahl gerichtet ist. Dies ist der Fall, wenn erkennbar wird, dass sie getroffen worden ist, um die Stimmabgabe insgesamt oder einzelner Wahlberechtigter zu verhindern oder zu erschweren. Ausgehend von diesen Anforderungen wurde die angefochtene Wahl nicht behindert.

Dies gilt für den beanstandeten Umstand, dass in der Woche der Wahl für die Mitarbeiter der IT-Sparte im Umfang von 100 Prozent und für weitere Beschäftigte mit einem dienstlichen Notebook Telearbeit angeordnet wurden. Diese Maßnahmen sind eine Ausübung des Direktionsrechts (Weisungsrechtes) und begründen sich mit der Fürsorgepflicht der Dienststelle i. S. d. Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Sie haben nicht zu einer Erschwerung der Wahl geführt, sondern zu einer Erleichterung der Dienstausübung bzw. der Arbeitstätigkeit, weil diese von zu Hause aus erledigt werden durfte. Diese Anordnungen haben nicht dazu geführt, dass Wahlberechtigten die persönliche Stimmabgabe oder die Abstimmung per Briefwahl untersagt oder faktisch unmöglich gemacht worden wäre. Den Betroffenen war der Zugang zur Dienststelle und zum Wahllokal während der Zeit der Stimmabgabe durch die Maßnahmen nicht verwehrt.

Soweit sich die Maßnahmen bei weit von der Dienststelle entfernt wohnenden Wahlberechtigten als Wahlrechtsbeschränkung ausgewirkt hätte, weil diese teils mehrstündige Wege allein zum Zwecke der Stimmabgabe hätten auf sich nehmen müssen, greift auch das nicht durch. Den Betroffenen blieb es unbenommen, ihre Stimme abzugeben. Dass sie dafür ggf. lange Wegstrecken auf sich nehmen mussten, beruht auf ihrer privaten Entscheidung zum Ort der Wohnsitznahme, nicht hingegen auf den streitigen Maßnahmen.

Ungeachtet dessen hat der Wahlvorstand mehrfach auch noch kurz vor der Wahl per E-Mail darüber informiert, dass eine Stimmabgabe sowohl per Briefwahl als auch persönlich am Tag der Wahl möglich sei. Diese Information hat auch jedenfalls jene Wahlberechtigten erreicht, die weiter in der Dienststelle tätig oder in Telearbeit waren.

Auch keine Wahlbehinderung liegt in dem von Vorgesetzten gegenüber bestimmten Beschäftigten ausgesprochenen Verbot, die Dienststelle in einem Zeitraum von mehreren Tagen, in den auch der Tag der Stimmabgabe fiel, zu betreten. Denn es handelt sich um eine außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens liegende Maßnahme mit bloß mittelbar erschwerenden Auswirkungen auf die Wahl. Sie erfolgte nicht, um die Stimmabgabe der Betroffenen zu verhindern oder zu erschweren, sondern diente unstreitig dem Infektionsschutz.

Fazit:

Eine Maßnahme außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens (Corona-Epidemie), die „bloß mittelbar erschwerende“ Auswirkungen hat, ist nur dann eine Behinderung einer Wahl, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls und bei objektiver Betrachtung auf eine Erschwerung der Wahl gerichtet ist.

Über den Autor

Dieter Fischer, Mitglied im dozenten.team, Diplom-Verwaltungsbetriebswirt. Dozent bei Walhalla Seminare, der dbb akademie, Lehrbeauftragung an der Hess. Hochschule für Polizei und Verwaltung; Lehraufträge an verschiedenen Verwaltungsakademien, Vortragstätigkeit auf Kongressen. Umfassende praktische im Betriebsverfassungs-, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder im Arbeits- und Tarifrecht (TVöD/TV-L/TV-BA/TV), Dienstrecht; Schwerbehindertenrecht, betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), sowie in diversen Bereichen des Personalmanagements.