Arbeitsbefreiung wegen Personalratstätigkeit bei Schichtdienst

Ein Personalratsmitglied darf die Schichtarbeit bei Fortzahlung des Entgelts vorzeitig beenden, um unter Berücksichtigung der Mindestruhezeit an einer Sitzung teilzunehmen.

Das Mitglied eines Personalrates, das auch dem Personalratsvorstand angehört, arbeitet in einem Nahverkehrsunternehmen im Schichtsystem mit einem Umlauf von vier Wochen im Rahmen einer 36,5 Stundenwoche. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-N Berlin Anwendung.

Die Schichten verteilen sich wie folgt:

Dienst 1: Montag - Freitag06.00 - 14.00 Uhr
Dienst 2: Montag - Freitag 13.55 - 22.00 Uhr
Dienst 3: Sonntag - Donnerstag21.55 - 06.00 Uhr
Dienst 4: Sonntag18.00 - 02.00 Uhr.

Im Dienst 3 sind der Freitag ab 6.00 Uhr und der Samstag für das Personalratsmitglied arbeitsfrei.

Der Vorstand des Personalrats tagt regelmäßig am ersten und dritten Freitag im Monat ab 12.00 bzw. 12.30 Uhr. Es wurde gelegentlich, aber nicht ausnahmslos in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag freigestellt, wenn am Freitag eine Vorstandssitzung stattfand.

Das Personalratsmitglied vertrat die Auffassung, es sei berechtigt, seine Arbeit in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag ohne Minderung seines Arbeitsentgelts zehn Stunden vor Beginn der Vorstandssitzung am Freitag zu beenden, da ihm zwischen Arbeitsende und Beginn der Sitzung eine Mindestruhezeit von zehn Stunden zustehe. Damit war der Arbeitgeber nicht einverstanden. Er war der Meinung, dass die Ruhezeit nach Beendigung der Vorstandssitzung beginnen könne.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 16.9.2020 – 7 AZR 491/19 die Revision des Arbeitgebers mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin hat Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Durchführung von Aufgaben des Personalrats notwendig ist, keine Minderung der Bezüge zur Folge. Dies gilt auch für Personalratstätigkeiten außerhalb der persönlichen Arbeitszeit, soweit diese Tätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht. Nach Auffassung des Gerichts gehört zu den notwendigen Personalratstätigkeiten auch die Teilnahme an einer Sitzung des Personalratsvorstands außerhalb der Arbeitszeit.

Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) – so das BAG – hatte die Vorinstanz zu Recht festgestellt, dass dem Personalratsmitglied die Erbringung der Arbeitsleistung in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag ab 2.00 bzw. 2.30 Uhr nicht zumutbar war, wenn er am Freitag um 12.00 bzw. 12.30 Uhr an der Vorstandssitzung teilnimmt.

Gemäß § 5 Abs. 1 ArbZG müssen Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine mindestens elfstündige Ruhezeit haben, die in Verkehrsbetrieben nach § 5 Abs. 2 ArbZG bis zu einer Stunde verkürzt werden kann, wenn innerhalb von vier Wochen ein entsprechender Ausgleich stattfindet. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers kann die Mindestruhezeit nicht im Anschluss an die Sitzung des Personalratsvorstands gewährt werden.

Da das BAG davon ausgeht, dass die Teilnahme an der Vorstandssitzung Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbZG ist, ist die Situation mit einem geteilten Dienst vergleichbar, bei dem die Ruhezeit grundsätzlich erst nach dem Ende des zweiten Teils beginnt. Die Ruhezeit kann deshalb nicht im Anschluss an die Sitzung des Vorstands gewährt werden, weil sie innerhalb eines Zeitraums von vierundzwanzig Stunden nach Beginn der Arbeitszeit zur Verfügung stehen muss. So die Auslegung von § 5 Abs. 1 ArbZG.

In der vorgenannten Regelung ist zwar dieser Zeitraum nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber aus den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG.

Die Mindestruhezeit von elf (zehn) zusammenhängenden Stunden ist pro 24-Stundenzeitraum zu gewähren. Der 24-Stundenzeitraum beginnt nicht mit dem Kalendertag, sondern mit dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme.

Die genannte EU-Richtlinie gibt eine gewisse Regelmäßigkeit der täglichen Ruhezeiten vor. Aus Gründen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes muss grundsätzlich eine Arbeitsperiode von einer Ruheperiode abgelöst werden. Ruhezeiten müssen sich unmittelbar an die Arbeitszeiten anschließen. Die Mindestruhezeit von 11 Stunden begrenzt zugleich die tägliche Arbeitszeit auf max. 13 Stunden.

Im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 ArbZG kann somit dem Personalratsmitglied die ununterbrochene Mindestruhezeit von 10 Stunden nicht nach der Sitzung des Personalratsvorstands gewährt werden. Die Nachtschicht beginnt am Donnerstag um 21.55 Uhr, so dass der 24-Stundenzeitraum am Freitag um 21.55 Uhr endet. Da die Sitzungen des Vorstands am Freitag um 12.00 bzw. 12.30 Uhr beginnen, kann abgesehen von der Dauer der Sitzungen zwischen deren Ende und dem Ende des 24-Stundenzeitraums die Mindestruhezeit von 10 Stunden nicht eingehalten werden.

Über den Autor

Heinz Meise, eigenständiges Mitglied im dozenten.team, Leitender Städtischer Verwaltungsdirektor a.D., Dipl. Verwaltungswirt, Dipl. Kommunalbeamter, Dozent bei Walhalla Seminare, Kommunalen Studieninstituten und der dbb akademie; umfassende praktische Erfahrung im Personalvertretungs- Arbeits- und Dienstrecht aufgrund seiner Tätigkeit als langjähriger Leiter eines Personalamtes und Stadtkämmerer.