Änderungen des wenig bekannten und doch bedeutsamen Nachweisgesetzes ab 1. August 2022

Zum 1. August 2022 sind wesentliche Änderungen des Nachweisgesetzes in Kraft getreten. Das Gesetz basiert in seiner ursprünglichen Fassung von 1995 bereits auf der „Nachweis-Richtlinie“ der Europäischen Union von 1991.

Doch bisher gehört das Nachweisgesetz zu den eher wenig bekannten und ebenso wenig beachteten Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts.  Zu Unrecht, wie die Fachwelt weiß. Denn im arbeitsgerichtlichen Prozess zum Beispiel kann die Beachtung der gesetzlichen Nachweisregeln unsicherer Beweislage entgegenwirken.

Das Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz – NachwG) hat den Zweck – abstrakt formuliert –, transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Konkret können davon beispielsweise folgende Problemkreise berührt sein:

  • Ein Mangel an exakter Aufgabenzuweisung (wie Übertragung auszuübender Tätigkeit nach § 12 TVöD) erzeugt nicht selten betriebliche Spannungen und/oder rechtliche Auseinandersetzungen.  Hier liegt nicht nur in der gewerblichen Wirtschaft, sondern häufig auch bei öffentlichen Arbeitgebern einiges im Argen. Stellenausschreibungen, Geschäftsverteilungspläne etc. skizzieren Aufgabenbereiche naturgemäß nur grob. und Stellenbeschreibungen spiegeln vielfach die auszuübende Tätigkeit nur unzureichend wider. Das wird häufig bei arbeitsgerichtlichen Eingruppierungsfeststellungsklagen deutlich
  • klare Aufgabenzuweisungen vermeiden „Kompetenzgerangel“ und tragen so zum betrieblichen Frieden bei
  • gerade in Fällen von Arbeitnehmerhaftung (wie z.B. § 3 Abs. 6, 7 TVöD) tritt der Mangel an präziser Aufgaben- und Verantwortungszuordnung oftmals hervor
  • Arbeitszeugnisse oder sonstige Leistungsbeurteilungen sind ohne konkret festgelegte Aufgabenzuweisung nach der Rechtsprechung angreifbar
  • Bewerber können ohne schriftlich fixierten Nachweis ihrer früheren Tätigkeiten bisweilen nicht überzeugend darlegen, dass sie die Anforderungsprofile einer ausgeschriebenen Stelle erfüllen.

Die Ziele der bisherigen Nachweis-Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14.10.1991 wurden offenbar nicht im vorgesehenen Maße erreicht, so dass mit der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 die Dokumentationspflichten der Arbeitgeber deutlich konkretisiert und erweitert wurden. Die Richtlinie war vom deutschen Gesetzgeber bis 31.7.2022 ins nationale Recht umzusetzen, was nun mit dem ab 1. August 2022 geltenden Nachweisgesetz geschehen ist. Neben dem Nachweisgesetz wurden unter anderem auch das Berufsbildungsgesetz sowie das Teilzeit- und Befristungsgesetz geändert.

Bereits nach bisherigem Recht hatte der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragsbedingungen, wie sie im Gesetz katalogartig aufgeführt und jetzt erweitert worden sind, schriftlich niederzulegen und sie dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dies hatte innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses zu geschehen.  Im Gegensatz dazu muss nunmehr schon am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer die Niederschrift mit Informationen über Namen und Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt und seine Zusammensetzung sowie über die Arbeitszeit vorliegen. Die weiteren Nachweise sind spätestens binnen sieben Kalendertagen nachzureichen.

Unverändert gilt, dass der Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen in elektronischer Form ausgeschlossen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG).

Für die am 1. August 2022 bestehenden Arbeitsverhältnisse sind Arbeitgeber zunächst nicht verpflichtet, Niederschriften nach den Ansprüchen des neuen Gesetzes auszuhändigen. Verlangen Beschäftigte dies jedoch, so ist ihnen spätestens am siebten Arbeitstag nach Zugang der Aufforderung die begehrte Niederschrift auszuhändigen (§ 5 NachwG).

Die bisherige Ausnahmeregelung für vorübergehende Aushilfen von einem Monat wurde gestrichen. Somit sind nach neuem Recht Niederschriften unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.

Soweit sich bei bestehenden Arbeitsverhältnissen Vertragsbedingungen wesentlich ändern, sind sie dem Beschäftigten spätestens an dem Tag, an welchem sie wirksam werden, schriftlich mitzuteilen. Das gilt nicht bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge oder Dienstvereinbarungen (§ 3 NachwG).

Da im öffentlichen Dienst für Arbeitsverträge Schriftform tarifrechtlich vorgeschrieben ist (z.B. § 2 Abs. 1 TVöD), wird per Vertragsinhalt bereits einem erheblichen Teil der Nachweispflichten Genüge getan. Ebenso der Hinweis auf anzuwendende Tarifverträge, Dienstvereinbarungen, auf die üblicherweise in Arbeitsverträgen Bezug genommen wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG).  Den Forderungen nach „kurzer Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 NachwG) sowie „der (individuellen) Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich Zulagen, Prämien etc.“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG) werden von nun an jedoch präziser/gründlicher als bisher allgemein üblich zu entsprechen sein. Denn nach § 4 NachwG sind Verstöße gegen dieses Gesetz jetzt bußgeldbewehrt. Danach kann selbst bei erstmaliger Verletzung von Nachweispflichten gegen den Arbeitgeber eine Geldbuße bis zu 2.000 Euro festgesetzt werden.

Es ist zu erwarten, dass das neue Gesetz gerichtliche Auseinandersetzung erzeugen wird, beispielsweise über die Frage, welchen Anspruch an inhaltlicher Tiefe eine „kurze Charakterisierung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“ erfüllen muss. So hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die bloße Tätigkeitsbeschreibung „Sportlehrer“ diesem Anspruch nicht gerecht wird. Anzunehmen ist, dass solche Charakterisierung mindestens alle Merkmale enthalten muss, die z.B. für Eingruppierung, Leistungsbeurteilung, oder Haftungsfragen von Belang sind.

Die Gestaltung der geforderten Niederschriften hat der Gesetzgeber offengelassen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat gibt mit seinem Rundschreiben D5-31001/29#1 vom 25. Juli 2022 Hinweise zur Anwendung des neuen Gesetzes und bietet u.a. Muster-Niederschriften an.

Das Nachweisgesetz findet auf das Beamtenverhältnis keine Anwendung.

Über den Autor

Gerd Tiedemann, eigenständiges Mitglied im dozenten.team, Regierungsdirektor a.D.(Diplom-Verwaltungswirt); ehem. Ortsamtsleiter (sog. „Stadteilbürgermeister“) Hamburg–Finkenwerder sowie Dezernent Bürgerservice im Bezirksamt Hamburg -Mitte, Dozent bei der dbb akademie und bei Walhalla Seminare mit den Themen Arbeits- und Tarifrecht, Personalvertretungsrecht¸ Kommunikationstechniken, Vermittlung mediativer Kompetenzen, Konfliktmanagement, Moderation von Klausurtagungen für Personalräte und Personalverantwortliche